Monique Mathea ist Einrichtungsleiterin in der „Pflege im Generationenhaus St. Josef“. In der Einrichtung in Rheinhausen leben 36 Senior*innen. Hier erzählt sie von den letzten Corona-Monaten, über Höhen und Tiefen, über neue Herausforderungen und emotionale Stunden. Lesen Sie selbst:
Mitte Mai wurde angeordnet, dass wir den Bewohner*innen wieder Besuche ermöglichen sollen. Da traten bei mir gemischte Gefühle auf. Die ersten Gedanken waren: „Es ist zu früh, wir haben die letzten Wochen und Monate so viel geleistet und bis heute kein Corona bekommen. Wie sollen wir die Bewohner*innen weiterhin schützen und wie sollen wir uns in Zukunft schützen?“
In der Anordnung hieß es: „Seien Sie kreativ in der Umsetzung der Maßnahmen“. Die Mitarbeiter*innen waren sehr besorgt über die Lockerungen gewesen und fragten sich, wie die Umsetzung gestaltet werden soll und wie wir das zu unserer jetzigen Arbeit noch leisten können.
Mir als Leitung gingen tausende Gedanken und Ideen durch den Kopf. Außerdem hatten wir sehr wenig Zeit für diese Vorbereitung. Gleich kam die erste telefonische Anfrage zu einem Besuch, da die Angehörigen die neuen Lockerungen bereits durch die Medien erfahren hatten. Und schließlich sei ja auch Muttertag. Wir hatten Gott sei Dank die Möglichkeit, nach Rücksprache mit dem Bürgermeister von Rheinhausen, das benachbarte „Café de la Vida“ für die Besuche der Angehörigen zu nutzen. Die nächste Herausforderung war es aber zu regeln, wie die Besuche vonstatten gehen sollten. Schließlich konnten nicht alle auf einmal kommen. Wir haben die Entscheidung getroffen, mit allen Angehörigen telefonischen Kontakt aufzunehmen. Durch die direkte offene Kommunikation konnten wir die Besucherzahlen gering halten und über die Tage verteilen. Außerdem hatten wir immer noch die Möglichkeit, dass die Angehörigen weiterhin „Balkonbesuche“ machen konnten. Durch die direkte Kommunikation merkten wir sofort, dass die Angehörigen teilweise selbst eine gespaltene Meinung zur neuen Situation hatten.
Wir haben dann für uns entschieden, dass wir vier Tage die Woche (von Montag bis Donnerstag) Termine à 25 Minuten anbieten werden. Es war uns leider nicht anders möglich, um alle Besuche zu gewährleisten. Zudem kam ja noch, dass wir alle Besuche begleitet haben, um darauf zu achten, dass die Vorgaben zu den Hygieneregeln eingehalten werden.
Die Mitarbeiter*innen wurden informiert, wie die Besuche zu gestalten sind und auf welche Regeln geachtet werden muss und dann testeten wir es aus. Es war schon eine logistische Herausforderung der Verwaltung dies alles mit der Pflege zu koordinieren.
Die Bewohner*innen dürfen wieder Besuch empfangen
Am 18.05.2020 starteten wir den 1. Besucherlauf. Die Aufregung war bei Bewohner*innen, Angehörigen und Mitarbeiter*innen sehr groß. Es gab für die Bewohner*innen viele Geschenke und kleine Süßigkeiten für die Mitarbeiter*innen. Es war schwierig gewesen, die Balance zwischen Bewohner*innen und Angehörigen zu finden, da keine Umarmungen gestattet waren und es für die Senior*innen sehr schwierig war, dies zu akzeptieren. Es kamen immer wieder Fragen auf: „Warum nimmst den Lappen nicht endlich weg? Warum bekomme ich keine Umarmung? Oder warum bekomme ich keinen Kuss“. Dies bedeutete für die Mitarbeiter*innen viel Aufklärung und viele Gespräche.
Nun sind 8 Wochen mit den Besuchsregelungen ins Land gegangen und ich habe mein persönliches Fazit gezogen:
Ich habe fast alle Besuchstermine mit den Mitarbeiter*innen zusammen begleitet. Wir hatten sehr schöne und intensive Interaktion. Es gab viele Freudentränen, aber auch Ängste von Mitarbeiter*innen und Angehörigen. Dies war schon in den vielen Telefonaten zuvor zu spüren. Es kamen Fragen auf, wie etwa die Bewohner*innen und Angehörigen nach so einer langen Zeit reagieren würden. Wird unsere Arbeit wertgeschätzt? Bekommen wir Vorwürfe gemacht? Zudem war unsere Frage, wie die dementiellen Bewohner*innen auf die Besuche mit den Hygienemaßnahmen reagieren würden. Es war sehr schwierig, da die Bewohner*innen es nicht verstehen konnten, weshalb etwa Masken getragen werden mussten.
Für die Bewohner*innen war es sehr emotional und es beschäftigt sie auch noch im Nachgang. Somit waren erneut die Mitarbeiter*innen gefragt und gefordert, Seelentröster zu sein. Wie seit vielen Wochen bzw. Monaten schon, aber unsere orientierten Bewohner*innen gaben immer wieder Rückmeldung, dass es richtig war, dass wir die Einrichtung geschlossen haben, denn sie fühlen sich sicher bei uns.
Wir hatten aber auch nach acht Wochen Besuchsverbot die Phase, dass die Stimmung unter den Bewohner*innen zu kippen drohte. Wir haben uns dann immer neue Dinge überlegt, wie wir die Zeit anders gestalten können, dass alle weiterhin zufrieden und ausgeglichen sind. In dieser Zeit waren alle Mitarbeiter*innen sehr kreativ gewesen.
In den letzten Wochen haben sich die Besuche, aber auch die Abläufe etabliert. Wir hatten sehr viele schöne Momente. Es wurde gebeten, gesungen und wir erzählten, was wir in den letzten Wochen alles gemacht haben. Das Spannende in den letzten Monaten war, dass es wieder eine neue Ebene der Kommunikation geschaffen hat, da wir sehr schnell bemerkten, dass unsere Bewohner*innen auf den tragenden Mundschutz der Mitarbeiter*innen sehr emotional reagierten. Sie konnten unsere Mimik und Gestik nicht mehr erkennen und das war eine große Herausforderung für die Mitarbeiter*innen. Die schwierigste Entscheidung in der ganzen Pandemie war, wenn es einem/r Bewohner*in zunehmend schlechter ging, Sterbebegleitung zu gewährleisten. Der Anruf bei den Angehörigen, um ihnen die Situation zu schildern und zu erklären, dass sie unter bestimmten Auflagen in die Einrichtung kommen dürfen, um Abschied zu nehmen… Das war nicht einfach.
Eine Aussage, die von unseren Bewohner*innen kam, hat mich aber verblüfft: „Wir haben den 2. Weltkrieg durchlebt, wir hatten damals gar nichts. Jetzt haben wir einen Platz zum Schlafen, Essen, ein Bad, ein Handy zum telefonieren und Face time.“
An erster Stelle stand bei mir die persönliche Angst vor einer Ansteckung, da ich selbst zur Risikogruppe gehöre. Ich bin dann eines Besseren belehrt worden, durch die tolle Organisation von Seiten unserer Einrichtungsleitung sowie der wöchentlichen Informationen und der sehr strengen Hygieneauflagen. Meine Bedenken konnte ich so recht schnell ablegen und fast zur „Normalität“ im Ablauf meiner Aufgaben übergehen. Ganz stark hat mich zum Anfang belastet, unseren Bewohner*innen immer wieder erklären zu müssen, warum sie keinen Besuch von ihren Angehörigen bekommen können oder dass sie nicht einmal das Haus zum Spazierengehen verlassen dürfen. Durch das Krankheitsbild vieler unserer Bewohner*innen war das teilweise für mich selbst sehr belastend. Auch die Zeit der 14-tägigen Quarantäne für einige Bewohner*innen in ihrem Zimmer, z. B. nach einer Neuaufnahme oder nach Verlassen der Einrichtung wegen eines Krankenhausaufenthalts. Es dient ja zu unserer aller Sicherheit und ist nötig, aber es war belastend. Zu Beginn unserer Besucher-Lockerungen hatte ich einige Bedenken, wie das Aufeinandertreffen nach so langer Zeit zwischen Bewohner*innen und Angehörigen verläuft. Es gab schöne und lustige, aber auch emotionale Momente, die ich nicht vergessen möchte. Die Angehörigen waren im Vergleich zu unseren Bewohner*innen viel angespannter bzw. unsicherer und nervöser. Unsere Aufgabe war es nun, sie zu beruhigen und ihnen zu vermitteln, dass es den Bewohner*innen gut geht. Wir haben den Angehörigen von unseren tollen Angeboten und Veranstaltungen, die wir mit den Senior*innen in den letzten Wochen erleben durften, erzählt. Alle Angehörigen waren voll des Lobes, die Zweifel waren ausgeräumt. Sie haben ja selbst gesehen und gehört, dass es den Bewohner*innen gut geht. Trotz der großen Einschränkungen habe ich das Gefühl, dass die Bewohner*innen diese schwierige Zeit gut überwunden haben. Natürlich ist es für alle Mitarbeiter*innen teilweise sehr anstrengend, aber mit einem guten und stabilen Ausgleich im privaten Umfeld gut zu kompensieren.
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